Mein „Kampf” mit den Sajicas

Text & Fotos: Dr. Joachim Jaenicke

Um es gleich vorweg zu nehmen, bei den Sajicas handelt es sich nicht etwa um einen südamerikanischen Indianerstamm, sondern um Buntbarsche mittelamerikanischer Flüsse.
Alles begann mit einem Fotowettbewerb 2005 des Rintelner Aquarienvereins „Scalar e. V.”. Meine Frau Annelie gewann den ersten Preis: ein wunderschön eingerichtetes 100-Liter-Becken mit gebogener Frontscheibe. Das Aquarium erhielt seinen Platz auf einer etwa 220 cm langen Anrichte in unserem Hobbyraum. Eigentlich wirkte das Aquarium auf der Anrichte etwas verloren – meinte ich. Und da mir die Art des Beckens so gut gefiel, beschloss ich „zwecks optischen Ausgleichs” ein zweites adäquates 100-Liter-Becken mit gebogener Frontscheibe anzuschaffen. Als Bewohner hatte ich Flusskrebse auserkoren und richtete das Aquarium mit entsprechenden Steinaufbauten und Höhlen ein. Doch es kam anders!
In einer Zoohandlung entdeckte ich ein Pärchen Buntbarsche mit einem Schwarm Jungfische. Als Hobbyfotograf fielen mir sofort die fotogenen, silbrig strahlenden Augen der Tiere auf.


Sajica-Buntbarsch Männchen in seinem Habitus
Es waren Sajica-Buntbarsche (Cryptoheros sajica), die ich zuvor noch nicht gesehen hatte. Diese Tiere musste ich haben! Mit etwas Überredungskunst erwarb ich das Pärchen und setzte es in das „Flussufer-Aquarium”. Ich hatte mich zuvor in der Literatur über die Lebensweise dieser Fische informiert, so dass das mit Wurzeln, Steinen und Höhlen eingerichtete Becken ihrem Biotop entsprach.

Das Männchen von etwa 12 cm Länge sowie das kleinere Weibchen untersuchten eifrig ihr neues Revier, das sie sich nur noch mit einem Pärchen Ancistrus-Welse teilen mussten. Ich schaute dem Treiben der Tiere eine Weile zu: Im Laufe der Zeit änderte sich die Transport bedingte Dunkelfärbung in eine braun-graue Körperfarbe, wobei die Flossen des Männchens eine rötlich-blaue, die des Weibchens eine gelblich-blaue Färbung annahmen. Über den bläulich angehauchten Kiemendeckeln strahlten die Augen mit ihrer silbrigen, blaugrünen Iris wie glitzernde Juwelen hervor.
Begeistert von diesem Anblick eilte ich am nächsten Morgen in den Hobbyraum: Doch was war mit dem Sajica-Becken geschehen? Ich traute meinen Augen nicht! Aus dem von mir ordentlich eingerichteten Aquarium war über Nacht eine „Mondlandschaft” geworden: Der feine Sand war an verschiedenen Stellen zu „Bergen” aufgetürmt, zwischen denen kleine „Krater” lagen! Pflanzen wie Vallisnerien schwammen an der Wasseroberfläche, nur die an Wurzelstücken verankerten Anubias-Pflanzen hatten ihren Platz behalten. Aus einer besonders „vertieften” Steinhöhle schauten mich meine Sajicas mit ihren glitzernden Augen an nach dem Motto: „So, jetzt fühlen wir uns wohl!”. Nun ja, ich entfernte die ausgewühlten Pflanzen und „belohnte” die Tiere für ihre individuelle Umgestaltung mit Granulatfutter. Allerdings stellte sich heraus, dass Sajica-Buntbarsche keine großen Ansprüche an ihre Ernährung stellen. Sie sollte jedoch – wie für alle Fische - abwechslungsreich aus Lebend-, Frost- und Trockenfutter bestehen.
Einige Tage später entdeckte ich das Weibchen, wie es auf dem Rücken schwimmend aus einer Höhle hervorschaute. Das Männchen schwamm außerhalb der Höhle aufgeregt hin und her. Hatten die Sajicas etwa gelaicht? Aufgrund des „hohen” Sandberges vor dem Höhleneingang konnte ich dies zunächst nicht feststellen. Aber mit Hilfe des Makroobjektivs meiner Spiegelreflexkamera holte ich mir einen „Höhlenausschnitt” dichter vor mein Auge – und richtig: Deutlich konnte ich einige Eier an der Unterseite der Höhlendecke erkennen. Das Weibchen, mit der Bauchseite nach oben schwimmend, fächelte dem Gelege mit ihren Brustflossen Sauerstoff zu. Welch eine Freude!!
Diese anfängliche Freude wurde jedoch etwas getrübt: Beide Elterntiere – und besonders das Männchen – verhielten sich sehr aggressiv. Die beiden Antennenwelse wurden in einen schmalen Steinspalt gedrängt und bei jedem Versuch, an Futter zu gelangen, sofort heftig attackiert. Selbst meine Hand wurde beim Bemühen, die Welse mit einer zusätzlichen Abgrenzung zu „schützen”, heftig angegriffen, indem das Sajica-Männchen wie eine „Harpune” aus einer Ecke auf meine Hand zu „schoss”. Allerdings war der Schreck größer als das Zwicken an der Hand.
Gespannt verfolgte ich in den nächsten Tagen dieses ausgeprägte Sozialverhalten. So aggressiv sich die Sajicas gegenüber Eindringlingen in ihr Revier auch zeigten, so „liebevoll” und „zärtlich” betreuten sie in den nächsten Wochen ihren Nachwuchs, der zunächst in der Höhle blieb. Erstaunt war ich über die „harmonisch” erfolgende Kommunikation der Elterntiere bei der Brutpflege, wobei m. E. das Weibchen eine „leading”-Funktion übernahm.

Sajica-Buntbarsche (Cryptoheros sajica)
Das Männchen beschützt die 55 Tage alten Jungen bei der Fütterung.
m: ca. 18 cm * w: ca. 12 cm * T: 24 - 28 °C * pH 6,5 - 7,0

Im weiteren Verlauf der Entwicklung verließen die Jungtiere unter Obhut der Elterntiere die Höhle. Welch ein toller Anblick: Mehrere Hundert Jungfischchen zogen mit dem Muttertier durch das Becken. Ich schätzte die Anzahl auf etwa 400 – und sofort schoss es mir durch den Kopf: Wohin mit den vielen Fischen?? Doch bevor ich dies beantworten wollte, genoss ich jeden Tag das Wachstum dieser Brut, das in unzähligen Fotos dokumentiert wurde.
Das Sozialverhalten der Sajica-Elterntiere ging so weit, dass die zunehmend größer werdenden Jungfische in dem immer enger werdenden Aquarium schließlich sogar so gefräßig waren, dass die Rückenflossen der Elterntiere „angezupft” wurden. Auch dies haben diese „liebevoll” über sich ergehen lassen. Schließlich entschloss ich mich, die Jungfische los zu werden. Doch wer nimmt Sajicas?? Sajica-Buntbarsche – das war mir nun klar geworden – sind keine Fische für Gesellschaftsbecken und benötigen Aquarien von mindestens 200 Litern Größe. Also was tun?
Die Nachfrage bei mehreren Zoohandlungen blieb ebenso erfolglos wie der Verkauf auf der Zierfischbörse. Mein Sohn – ebenfalls Aquarianer – freute sich über fünf Fische. Aber ich hatte immer noch mehrere Hundert! Schließlich „erbarmte” sich ein Zoohändler, bei dem ich ein 450-Liter-Aquarium kaufte, sozusagen „im Gegenzug” mir meine Jungfische abzunehmen. Nun hatte ich nur noch ein Sajica-Pärchen – und ein 450-Liter-Aquarium.
Dieses größere Aquarium richtete ich nun für mittelamerikanische Buntbarsche ein. Das Sajica-Pärchen musste sich den neuen Lebensraum mit einem Paar Regenbogencichliden (Herotilapia multispinosa), einem Paar Nicaragua-Traumbarschen (Hypsophrys nicaraguense), einem Schwarm Blauroter Kolumbiensalmler (Hyphessobrycon columbianus) sowie einem Schwarm Smaragd-Panzerwelsen (Brochis splendens) teilen. Tatsächlich nahmen die Sajicas auch den für sie vorgesehenen Höhlenbereich an. Eine Höhle war so konstruiert, dass ich den „Deckenstein” leicht entfernen konnte. Auf keinen Fall wollte ich wieder Hunderte von Sajicas haben!
Und richtig, nach einigen Tagen – ich hatte die Balz und die Eiablage nicht mitbekommen – konnte sich kein anderer Fisch im Sajica-Revier aufhalten. Mein „Kampf” mit den Sajicas hatte begonnen!! Kurze Zeit später zog das Weibchen mit einem Schwarm von Jungfischen durch das Becken, wobei das Männchen für „freien” Schwimmraum sorgte. Nun, der Schwarm war nicht sehr groß. Ich schätzte ihn auf etwa 40 Tiere. Offenbar waren viele im Eistadium bereits Beute der Mitbewohner geworden. Da ich jedoch keine weiteren Sajicas außer den Elterntieren im Becken behalten wollte, fing ich mühevoll die meisten Fischchen heraus und verwendete sie als Lebendfutter in einem anderen Aquarium.
Nach einiger Zeit hatte das Sajica-Pärchen keine Jungtiere mehr und begann kurz darauf erneut mit der Balz: Nach heftigem Jagen des Weibchens durch das Männchen und schließlich zitterndem Umschwimmen des Weibchens durch das Männchen muss es erneut zur Eiablage gekommen sein. Da ich die Steinaufbauten in dem 450-Liter-Becken im Hintergrund positioniert hatte, war auch der aufgewühlte Bodengrund von vorn nicht zu erkennen. Dies galt natürlich auch für etwaige Gelege. Nun kam meine „Kampf-Strategie” ins Spiel: Ich entfernte – wiederum heftigen Attacken des Sajica-Männchens ausgesetzt – den Deckenstein der Bruthöhle und betrachtete die Unterseite. Und richtig, hier hefteten unzählige hellbräunlich gefärbte Eier!! Das Gelege wurde fotografiert und die Eier wurden auf einem Papierabzug ausgezählt. Ich konnte es kaum fassen: 864 Eier hatte das Weibchen gelegt!! Was sollte ich mit so vielen potentiellen Sajicas?? Also säuberte ich den Stein und setzte ihn wieder auf die Höhle zurück. Den ersten „Kampf” gegen die „Sajica-Übermacht” hatte ich gewonnen.
Doch die Freude währte nicht lange! Erneut wurde gebalzt und wieder über 800 Eier an dem Deckenstein abgelegt. Es folgte „the same procedere as last time”. Zunächst hatte ich auch dieses Mal gewonnen, aber - richtig, nach einer weiteren Balz positionierte das Sajica-Weibchen ihre Eier in einer Höhle, an dessen Deckenstein ich nicht ohne Weiteres gelangen konnte, wollte ich nicht die halbe „Aquarium-Einrichtung” auseinander bauen. Ganz schön clever, diese Sajicas! In diese Höhle gelangte ich nur mit einer Zahnbürste und – entfernte einen Großteil des Geleges, glaube ich. Denn bislang habe ich keine kleinen Sajicas im Aquarium gesichtet.
Nun, inzwischen balzen auch Regenbogen- und Nicaragua-Buntbarsche und „betrachten” offenbar die jeweilige Brut des anderen als Beute. Somit scheint sich mein „Kampf” mit den Sajicas auf natürliche Weise zu regulieren!

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